Direkt zum Inhalt

Ausstellung „Das Antwerpener Liederbuch“

Ein einzigartiges Liederbuch (Vitrine 6)

Een schoon liedekens-boeck oder das Antwerpener Liederbuch ist das älteste bekannte weltliche Liederbuch aus den Niederlanden. Trotz oder vielleicht gerade wegen seines Eintrags in den Index der verbotenen Bücher im Jahr 1546 erfreute es sich großer Beliebtheit. Es wurde mindestens viermal nachgedruckt, aber nur ein vollständiges Exemplar aus dem Jahr 1544 ist erhalten geblieben. Diese Drucke waren in der Regel billig und so beliebt, dass sie fast im wahrsten Sinne des Wortes kaputt gelesen wurden. Dies ist das Paradoxon dessen, was wir heute als wertvolles Erbe bezeichnen.

Um sein Schoon liedekens-boeck kommerziell interessant zu machen, wählte Jan Roelants sowohl alte als auch neue Lieder aus, die ein breites Publikum ansprechen sollten. Ältere Lieder sind an Unregelmäßigkeiten im Stil zu erkennen, da sie mündlich überliefert wurden. Die neuen Lieder entsprechen den strengeren Stilformen der sogenannten Rederijkers, Mitgliedern der Gilde der Dichte, und richten sich ausdrücklich an Jugendliche. 

Ein Antwerpener Drucker: Jan Roelants (Vitrine 4)

Jan Roelants war über 30 Jahre lang, von 1537 bis zu seinem Tod im Jahr 1570, als Drucker und Buchhändler in Antwerpen tätig. Sein Verlagsfundus bestand hauptsächlich aus praktischen Handbüchern, religiösen Werken, Gesetzestexten und Zeitungsberichten. Dabei handelte es sich um Titel in mittelniederländischer Sprache, meist in kleinem Format, die er regelmäßig nachdruckte. An sich nichts Spektakuläres, aber diese Art von (billigem) Druck war sehr gefragt. Een Schoon liedekens-boeck war eines der wenigen literarischen Werke in seinem Fundus.

Als Geschäftsmann wagte Roelants auch Risiken in Bezug auf den Inhalt der von ihm veröffentlichten Titel. Infolgedessen landeten mehrere seiner Bücher auf dem Index der verbotenen Bücher, und er und andere Antwerpener Drucker und Buchhändler wurden im März 1569 wegen des Verdachts des Protestantismus verhaftet. Jan Roelants starb im März 1570 im Gefängnis, bevor der Blutrat die Angeklagten am 16. Juli 1570 begnadigte.

Populäre Liedkultur (Vitrine 7)

Roelants' Schoon liedekens-boeck aus dem Jahr 1544 ist eine Anthologie alter und neuer Lieder, die um 1500 in den niederländischen Ländern im Umlauf waren. Roelants' Liederbuch verewigte die traditionelle mündliche Liedkultur der Zeit und ist somit eine wichtige Quelle für das mittelniederländische Liedgut. Es ist das älteste gedruckte weltliche Liederbuch und enthält hauptsächlich Balladen, Volkslieder, Trinklieder und historische Lieder. Die Lieder handeln von universellen Themen wie Liebe, Religion und Politik. Da einige der Lieder Mönche und andere Geistliche kritisieren, landete Een schoon liedekens-boeck bereits 1546 auf dem Index der verbotenen Bücher.

Wie andere Volksbücher ist auch das Liederbuch von Roelants in einem handlichen Format gedruckt, ohne Illustrationen oder musikalische Notationen. Eine Melodieangabe genügte, da es sich bei den meisten Liedern um Kontrafakturen handelte, also neue Liedtexte auf bekannte Melodien. Die Kontrafaktur war vor allem ein Produkt der sogenannten Rederijkers, Mitglieder der Gilde der Dichte, und bildete das Bindeglied zwischen der literarischen Kultur der Elite und dem Straßenlied. 

Rederijkers (Mitglieder der Gilde der Dichter) (Vitrine 3)

Die neuen Lieder aus Roelants' liedekens-boeck können in den Kreisen der Rederijkers angesiedelt werden. Von einem Lied kennen wir nämlich den Dichter, den Oudenaarde Rederijker Mathijs de Castelein (etwa. 1485-1550). Er schrieb eine Art Handbuch für Rhetorik, De const van rhetoriken, das 1555 erschien. Er erklärte Techniken des Dichtens und Versformen und lud den Leser vor allem dazu ein, selbst zu experimentieren. Die Herausforderung bestand gerade darin, eine Botschaft innerhalb der Regeln der Rhetorik und der Möglichkeiten der Sprache so „kunstvoll“ wie möglich zu formulieren.

In der Renaissance entstanden überall in den Niederlanden sogenannte Rederijkerskamers, Kammern zur Pflege der Dichtkunst, in denen sich Bürger, die sich „Rederijkers“ nannten, zusammenfanden, um sich in Literatur zu üben. Sie veranstalteten regelmäßig sogenannte Landjuwelen oder literarische Wettbewerbe, wie das Genter Landjuweel von 1539. Das von der Rederijkerskamer De Violieren in Antwerpen im Jahr 1561 organisierte Landjuweel wurde zum berühmtesten. Anschließend zogen 14 teilnehmende Kammern mit Dutzenden von Paradewagen feierlich durch die Stadt. 

Auf dem Index der verbotenen Bücher (Vitrine 5)

Im Jahr 1546 veröffentlichten die Theologen der Universität Löwen einen Index der verbotenen Bücher. Alle Bücher Luthers und zahlreiche andere Bücher mit zweifelhaftem Inhalt wurden verboten, darunter Roelants' Liedekens-boeck und das Nieuwe cluchtboeck (ein niederländisches Schwankbuch), von dem nicht einmal mehr ein Exemplar existiert. Überarbeitete Ausgaben des Löwener Indexes folgten 1550 und 1558, jeweils mit lateinischen, niederländischen und französischen Versionen.

Ab 1567 nahmen die Repressionen gegen die Ausbreitung des Protestantismus in den habsburgischen Niederlanden drastisch zu. Man verschärfte die Kontrollen des Buchhandels und setzte die Einhaltung des Löwener Indexes strenger durch. In den Jahren 1569, 1570 und 1571 veröffentlichte Christopher Plantin überarbeitete Listen der verbotenen Bücher, De Librorum prohibitorum Index. Darauf standen auch einige religiöse Werke, die Roelants druckte, wie Hoe Christus ons leert bidden (Wie Christus uns das Beten lehrte) (1548) und Een suyverlijk boecxken (Ein säuberliches Büchlein) (1558).

Anfang 1569 führten die Behörden eine große Untersuchung über verbotene Bücher bei den Buchhändlern in Antwerpen durch. Das Originalinventar der beschlagnahmten Bücher wird in der Kulturerbe-Bibliothek Hendrik Conscience aufbewahrt und enthält mehrere Bücher von Roelants, wie z. B. das Liedekens-boeck. Fünf Antwerpener Buchhändler wurden verhaftet, darunter Jan Roelants. Er starb Anfang 1570 im Gefängnis, noch bevor die Angeklagten freigesprochen wurden.